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Der Wert des Alpinismus liegt im Erleben der Natur dort, wo sie sich aus Fels und Eis ihr großes Symbol schuf: den Berg. Der Kämpfer findet in der Vielheit der Berggefahren den Sieg. Der Betrachter die Harmonie der Formen und Farben. Der Müde die verklärte Ruhe. So sei dieses Buch ein Ruf für die Berge.

aus: Luis Trenker, "Meine Berge"


Für alle Herzensschäden, für Stadtfieber und jederlei andere Zwietracht in der eigenen Brust gibt es kein besseres Rezept als dieses: fort in die Einsamkeit, fort ins Gebirge, hinauf in ein stilles Tal.

aus: Walter Pause, "Segen der Berge"


Trotzdem bin ich bei meinem Umweg über die Berge viel weiter gekommen, als wenn ich den flachen Pfaden gefolgt wäre. Es ist egal, welchen Berg man besteigt, oben wird man immer weiter sehen.

aus: Reinhard Karl, "Erlebnis Berg, Zeit zum Atmen"


Du sollst dir Zeit lassen und nicht mit dem Minutenzeiger um die Wette laufen. Du sollst die Berge nicht durch Rekordsucht entweihen, Du sollst ihre Seele suchen.

aus: Luis Trenker, "Meine Berge"

Irgendwann war mir klar geworden, was Franz mit seinem Buchtitel 'Bergsteiger ohne Maske' sagen wollte. Daß die Menschen nach einem langen Marsch, nach einer schweren Tour, bei einem Glas Wein oder einer Flasche Bier plötzlich unverfälscht vor einem stehen. Daß, wenn jemand seinen Alltag vergißt, seine Sorgen für kurze Zeit in einer Wand zurückbleiben, daß dann sein wahres Inneres zum Vorschein kommt.

aus: Charly Wehrle, "Bergsteiger ohne Maske"



Ein gewichtiger Unterschied zum Klettern an Plastik...

Felsenfest

Zwei Beispiele zum Thema "wie pack' ich Felsen an"


            Im gelben U


Irgendwann im Sommer 1995 war ich im Oberreintal. Bei Bilderbuchwetter wollten wir "das gelbe U" klettern, ein Gebietsklassiker moderater Schwierigkeit. Am Einstieg beginnt bereits der Tiefblick: "da pfeift's fei ganz schee obi…"

Und los: vom Stand zwei, drei Meter nach rechts und dann eine gut kletterbare Platte hinauf. Nach zehn Metern vielleicht einen Keil legen? Ach was - ich fühle mich bestens, die Felsqualität ist top, noch fünf Meter zum ersten Haken, geht scho!

Einen Meter links sehe ich eine bizarre Felsformation: mitten in der steilen Platte steht ein runder Kegel. Das gibt's doch nicht? Es bleibt nicht beim Betrachten, eine leichte Berührung - und ich habe einen runden, kopfgroßen Stein in der Hand. Die Stelle, an der er zuvor saß, war froh, ihn los zu sein. Wie ich ihn auch drehte und probierte - es gelang nicht, ihn wieder abzulegen.

hinunterwerfen - die Frage nur: wohin?

Rechts: leider eine begrenzende Felswand.
Links: Mist, er würde genau in den Stand krachen.
Direkt nach unten: der Stein würde die Platte hinunterfallen und könnte dort mein Seil treffen.
Vielleicht mit viel Schwung weit hinter mich? Aber wenn ich den Schwung nicht ganz exakt dosiere und mich wieder stabilisere, dann fliegt erst der Stein und dann ich aus der Wand. Keine gute Idee, mit ohne Zwischensicherung...

Also klettere ich mit einem runden Steinkopf in der Hand bis zum Haken weiter. Immer noch keine Möglichkeit den Wackerstein abzustellen, also weiter, bis ich endlich auf einem Absatz das Ding los werde. Weiterklettern bis zum Stand, "Stand", "Nachkommen", hochsichern…

Doch inzwischen war die Ressource "Ruhe und Ausgeglichenheit" endgültig aufgebraucht. Daher: Abseilgerät gezückt, runter, abgestiegen, und nachmittags noch a bissl Nerven beruhigen im hüttennahen Klettergarten.


            Marlene...

Wir starten mit einem Foto und sehen dort Marlene, unterwegs in einer alpinen Route. Was wir nicht sehen, ist Marlenes Schutzengel hinter ihr. Aber er ist da und voll in Aktion.

MarleneSchuppe

Auf der Skizze rechts sehen wir die Stelle aus der Perspektive des Schutzengels:

links eine Felsplatte, die mit einer Abbruchlinie endet und rechts eine darunterliegende Schichtplatte freigibt.

Mitten in dieser zweiten Schichtplatte sitzt ein Felsbrocken, an dem Marlene gerade hochsteigt.

Vor hundert oder tausend Jahren hat es diesen Felsbrocken wohl so noch nicht gegeben. Vermutlich befand sich damals die markante Abbruchlinie noch mehrere Meter weiter rechts und Marlenes Griff war Teil dieser großen Platte.

Heute liegt sie in tausend Scherben zerbrochen im Kar am Wandfuß. Nur dieses 50x50 cm große Stück ist übrig geblieben.

Offenbar hat es überstanden, weil es in der Tiefe irgendwie besser mit der darunter liegenden Platte verzahnt ist. Es geht von allen Seiten hinter die Platte, darum ist sie ja gerade so ein schöner Griff. Seit dem Absturz der Hauptplatte liegt dieser Teil jetzt blank und ist Regen, Frost und Wetter ausgesetzt.

Eines Tages wird auch dieser Block im Kar liegen - das ist sicher: vielleicht ist Marlene auch nur der letzte Auslöser, den die Platte noch braucht. Zumal - deutlich zu sehen - nicht nur Marlenes Gewicht auf dem Block ruht, sondern auch eine respektable Kraftkomponente vom Fels weg wirkt.


            und die Moral von der Geschicht'

Um unsere Schutzengel nicht zu sehr zu stressen, begegnen wir solchen Felsstrukturen mit äußerstem Mißtrauen. Wenn wir schlechtere, aber halbwegs zu haltende Griffe finden, nehmen wir besser diese, vielleicht klettern wir auch auch einen Meter weiter links oder rechts. Wenn wir kein Weiterkommen sehen, ohne diese Felsschuppe zu benutzen, dann belasten wir sie höchst vorsichtig und vermeiden jede Belastung in Auszugsrichtung (vom Fels weg).

Beim Klettern achten wir auf Vieles: was taugen die Sicherungen, muß ich vielleicht verlängern, was macht das Wetter, und vieles, vieles mehr. Da kommt es auf eines mehr auch nicht mehr darauf an:


            Kletterer haben ein Herz für Geologie :-))


und auch das soll auf seine Kosten kommen. Bei "interessanten" Felsstrukturen beantworten wir uns die Frage, wie sie wohl entstanden sind. Das gibt uns auch Auskunft, ob diese für's Klettern hilfreichen Strukturen halten, bzw. bei welcher Belastung sie voraussichtlich ausbrechen würden.

Felsenfest! Leider ist "Fels" das nicht immer, es liegt in deinem ureigensten Interesse das zu erkennen, bevor der Fels das zu erkennen gibt!

Wir registrieren bei dieser Gelegenheit auch, ob ein Versagen 100, 200 Gramm Gestein zum Fallen bringen, oder ob, wie im oberen Bild, 10 oder 20 Kilo herabstürzen...

Eine artverwandte Frage stellt sich auch beim Anbringen einer mobilen Sicherung (Sanduhrschlinge, Köpflschlinge, Klemmkeil): wenn eine solche Sicherung wahrscheinlich nicht hält, kann sie gleich weggelassen werden. Denn wehe, wenn das Ausbrechen kiloweise Fels nach unten befördert...







PS.:   und natürlich entschuldigt es Marlene, daß ich ihr - ohne sie danach zu fragen - einen kleinen Schutzengel angedichtet habe :-))