April 2019: weiße Felsen, blaues Meer
Klettern in den Calanques
Die Fahrt wird lang! Bitte rechtzeitig da sein, damit wir mit dem Bepacken des AV-Busses zeitlich so fertig werden, daß wir dann um 3:00 wirklich abfahren können.
Diesem grausamen Motto wollte keiner zuwiderhandeln, in nachtschlafener Zeit ließen wir das Ortsschild von Peißenberg hinter uns. Das Ziel lag gut 1000 km südlich: die Hafenstadt La Ciotat an der Cote d'Azur, rund 20 km östlich von Marseille. Eine Woche Klettern über dem Mittelmeer, an den berühmten Kalkfelsen der Calanques, das war der Reiseplan.Gegen 16:00 erreichten wir unser Ferienhaus: umsehen, auspacken und eine kurze Ortsbesichtigung. Ganz nett, aber unspektakulär und sehr untouristisch: so könnte man La Ciotat in aller Kürze beschreiben. Noch von zuhause hatte Nico beispielsweise eine Pizzeria ausgemacht: vor Ort erwies sich die location als reiner Straßenstand, kein gemütliches Sitzen und Ratschen bei Rotwein. Gut, heute Abend würden wir ausnahmsweise ja eh "zuhause" verbringen und kochen.
Der nächste Tag führte uns nach "Belvedere", vielleicht 5 km von unserem Haus entfernt. Das Wetter war bestens, aber mein Gott, war das kalt heute. Doch kaum kam die Sonne um's Eck...
Das Klettern kommt danach. Die erste Seillänge war ein 4er: ganz schön steil. Und ganz schön zapfig obendrein. Oder samma einfach noch net fit, nach dem ewigen Winter?
Die folgende Seillänge war dann ein guter 6er, aber was für einer! Immer wieder erstmal am Haken geschaut: wie soll denn DAS gehen? Und net mal b'scheißen kann ma' da. Die spinnen, die Franzosen...
Irgendwie paßte die Sache mit den Seillängen nicht. Und dann löste sich das Rätsel um die beinharte Bewertung: unsere geplante Route wäre weiter links gestartet. Unser 4er-Start war tatsächlich ein guter 6er. Der der vermeintliche gute 6er war auch einer - allerdings ein französischer. 6c - jaaa dann. Ja dann darf's doch nochmal ein 6er sein, ein französischer...
Das Wetter blieb top, aber windig und richtig, richtig kalt. Wir suchten uns eine windgeschützte Südseite, die passagenweise einem oberbayerischen Kartoffelacker glich. Nur senkrecht halt, oder überhängend...
"Regentag". Zumindest sagte das der Wetterbericht und wir ließen uns Zeit mit dem Start. Es war zwar flächenddeckend zugezogen, aber der Regen wollte nicht kommen. "Etoile noire": so heißt ein Klettergarten am Ortsrand von La Ciotat, der - wer ko, der ko - sogar eine eigene webSeite hat. Das war doch was für heute.
Die schönsten und eindrucksvollsten Routen in den Calanques haben Meerblick. Manchmal starten sie auch direkt am Wasser. So wie beispielsweise hier am "Bec de Sormiou", nahe Marseille.
rechts oben: nach und nach kommen sie alle oben an
rechts unten: wer rauf will, muß auch runter
Aber kochen tun wir fei nicht, wir gehen da jeden Abend essen". Alle sagten wir das so...
Aber erstens kommt es anders! Lag es am wenig touristischen La Ciotat, an der kalten Witterung am Abend, lag es am g'miatlichen Ferienhaus? Am Ende war es jedenfalls so, daß immer gekocht wurde und kein einziges mal ein Restaurant aufgesucht wurde, nicht einmal eine Straßen-Pizza-Bude.Beim Anblick von Fels bekommt er leuchtende Augen. Beim Ablick von Herd und leeren Töpfen offenbar auch...
Ja gmiatlich war's. Einkaufen, kochen, spülen - das hat bestens funktioniert! Und mit unseren Meisterköchen war's dann auch noch super-g'schmackig.
Eines allerdings bereitete uns Kopfzerbrechen. Wir hatten ja noch einige Tage, genauer gesagt Abende. Und unser Glasabfall sah schon jetzt bissl überbordend aus...
Dem interessierten Leser sei's verraten: kunstvoller Stapeltechnik sei Dank hatte am Ende doch noch alles Platz...
Nach Sormiou kam Mormiou: inzwischen verabschiedete sich die Kälte der ersten Tage und wir gingen zur "Candelle". Provenzalisch karge Wege und Vegetation, Tshirt-Wetter und immer wieder sehr meditative Eindrücke: obwohl der Zustieg immer eine gute Stunde betrug, bekam man den Zeitaspekt kaum mit.
links: Felsen, Kies, Sommerhitze, dafür kaum Erde, kaum Wasser, das ist nur für genügsame Gewächse
rechts oben: Osterferien und Cote d'Azur: wir waren überrascht, wie ruhig es überall zuging
rechts mittig: meditative Stimmung überall, mitten im steilen Fels der Candelle wächst ein Baum - halt horizontal
rechts unten: niemand weit und breit zu sehen, nur drüben grüßt Thieri aus der Nachbarroute
Und wieder Kletterimpressionen:
Wohin ist eigentlich alle Zeit vergangen? Morgen soll schon unser letzter Tag sein? Und dabei waren wir noch gar nicht in "en Vau". Von allen Buchten die bekannteste - und wohl auch abgeschmierteste :-))
Das durfte natürlich so nicht bleiben...
Um der Abgeschmiertheit Einhalt zu gebieten, wurden die übelsten Stellen mit einer Kelle voll Mörtel "entschärft".
Wirklich unser letzter Tag? Nein. Das Packen war nämlich ruckzuck beendet. Die Hausabnahme war erst am Nachmittag, also doch noch Klettern? Jaaaa, halt was Kürzeres. Irgendwie hatte ich heute einen Wunsch frei und so durfte ich Anna und Markus eine Route aussuchen, nicht nach kletterischen, sondern nach fotographischen Aspekten. Und glückliche Fügung: ich fand was Schönes. "DAS sieht aber schwer aus" meinte Anna. "Wie schwer ist das?" Glückliche Fügung Teil 2: "Keine Ahnung, der Führer liegt gut verpackt im Ferienhaus. Aber geht's des einfach. Wenn's net klappt, hier iss ein Opferkarabiner". Er wurde nicht gebraucht, wie sich noch herausstellen sollte...
Anna machte den Anfang.
Jetzt war Markus an der Reihe. Übrigens hatte Anna Recht: die Route war wirklich sehr schwer, wie sich später herausstellen sollte. Sie hieß La Horde Sauvage, oder eingedeutscht "Die wilde Bande". Der Name paßt eigentlich. Angegeben war sie mit 10-/10. Paßt eigentlich auch :-)).
Interessanterweise war das genau Markus' Bewertungsvorschlag, nachdem er den Umlenker geclippt hatte. Der Mann, so scheint's, hat da Routine...
Ich bekam meinen Opferkarabiner zurück, wir gingen zum Bus, fuhren zur Haus-Übergabe und dann warteten endgültig gut 1000 Kilometer auf uns. Und das angekündigte österliche Schmuddelwetter...
Als letztes Foto nochmal ein Blick auf diese eindrucksvolle Landschaft, die wir jetzt verlassen.
Uns steht jetzt die lange Heimfahrt nach Peißenberg bevor. Ostern, Regen und saukalt. Der Winter ist noch nicht vorbei...
Grüße, Hans