22. bis 30. Mai 2010
Klettern in der Verdonschlucht (Provence)
Über die erste Pfingstferienwoche fuhren wir - Andi, Franz, Sonia und ich - nach Verdon.
"Verdon" in Klettererkreisen ein Wort mit Kultcharakter. Dazu ein erster Blick in den Kletterführer: wie in so manch anderem Führer verdeutlichen auch hier Pictogramme die Einzelheiten der Routen anstelle von Beschreibungen. Doch im Verdonführer findest du Zeichen, die du so wohl noch nie gesehen hast.
Zu den häufig verwendeten Symbolen zählt das Fragezeichen. Zur Erklärung schreibt der Autor von "Abenteuer-Charakter" und rät : "erwarten Sie das Beste oder das Schlimmste"... Das Ausrufezeichen kündigt weite Hakenabstände an, der Text spricht von "eindrucksvollen (10-20m) Stürzen" für denjenigen, der das geforderte Niveau nicht beherrscht. Das rechte Pictogramm bedarf vermutlich keiner weiteren Auslegung. |
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Zum Einstieg der Routen gelangt man durch Abseilen von den Aussichtsplattformen. Unten angelangt beginnt das Klettern. Alles andere, als bis oben durchzusteigen ist keine richtig gute Idee.
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Sonntag, 23. Mai
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Nach zwölfstündiger Anfahrt kamen wir erst nach Mitternacht zur Ruhe. Sonntag wurden wir frühmorgens von Heidi geweckt - und um jede Spur von Schlafdefizit zu vertreiben folgte Franz's Lieblings-Reggae-Kassette...
Wir waren gerade am frühstücken, als sich Schlag auf Schlag der anfangs leere Parkplatz füllte und Seilschaft um Seilschaft zu den nahe gelegenen Abbrüchen marschierte. Als wir fertig waren, waren die Einheimischen bereits alle am Fels unterwegs, dafür kamen nun die Touristen, die dem unverständlichen Treiben der Kletterer mit einer Mischung aus Neugier und Grauen zusahen.
Franz und Andi gingen zur Route "L´Ange en Décomposition", Sonia und ich zur wesentlich gemütlicheren "Cocculuche". Während des Kletterns war immer wieder Geschützdonner von einem Truppenübungsplatz zu hören - und das an einem Sonntag tztztz...
Als wir alle wieder am Bus ankamen, war früher Nachmittag und wir gingen eine zweite Route: Andi und Sonia nahmen sich die "Reve de Fer" vor, Franz und ich die benachbarte "Riviére d`Argent".
Schöne Touren - und doch keine ganz so gute Idee. Denn die nachmittägliche Quellbewölkung verdichtete sich und schon bald hörten wir Geschützdonner - diesmal natürlichen Ursprungs. Wir erinnerten uns an die Schilder, daß man bei Gewitter den Schluchtrand unbedingt meiden sollte. Ja, ein guter Rat.
Es begann leicht zu nieseln und - Franz startete gerade in die vorletzte Seillänge - dann wechselte der Niederschlag in zum Glück feinkörnigen, aber ergiebigen Hagel. Im Nu war die Plattenwand über uns schwarz und triefendnaß. Nach vielleicht zehn Minuten beruhigte sich das Wetter, dann ein lauter Schrei - Franz war oben. Ich schwamm zu ihm hinauf zum Ausstieg - er hatte die kurze Ausstiegslänge gleich dazugepackt und wartete unter dem regensicheren Dach der ersten Abseilstelle.
Wie zum Hohn rissen die Wolken auf und Sonne und Regen spannten einen malerischen Regenbogen über die Verdonschlucht.
Andi und Sonia hatten unter einem Überhang Schutz gefunden, die danach pitschnasse 6c-Ausstiegsseillänge konnten sie in einer vegetarischen Variante umgehen.
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Montag, 24. Mai
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Das gestrige Ritual mit Heidi, Reggae und einheimischen Seilschaften wiederholte sich. Wir sahen etwas kritischer zu den Spuren an Gewölk am Himmel - und beschlossen: "es hält". Franz und Andi gingen zu "Les Rideaux de Gwendal".
Sonia und ich nahmen uns "A Toute Coeur" vor. Die erste Seillänge "6+" war für uns eher 7 und wir überlegten, was dann weiter oben wohl "7/7+" sein würde und wechselten kurzentschlossen in das benachbarte Verschneidungssystem der "Sucepe".
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Dienstag, 25. Mai
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Heute gingen Franz und ich zur "ULA", einem Gebietsklassiker mit Rissen von Hand- bis Ganzkörperbreite. Andi und Sonia kletterten die Route "Ticket Danger", heute keine Foto's.
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Mittwoch, 26. Mai
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Heute war Ruhetag! Wir fuhren zum Ende der Schlucht zu einem See mit bilderbuchgrünem Wasser und verbummelten dort den Tag.
Am Spätnachmittag zurück, wollte Andi dann doch noch a bissl was tun. Was im obigen Foto auf den
als eine uns wohlbekannte Seilschaft :-)
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Donnerstag, 27. Mai
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Franz und Andi nahmen sich heute die "Marche du Temps" vor, die von der benachbarten "ULA" am Dienstag spektakuläre Einblicke bot.
Sonia und ich besuchten die "Afin que nul ne meure" und danach die hübsche "l´Arabe dement".
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Freitag, 28. Mai
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Heute: wecken, frühstücken, und immer wieder skeptische Blicke nach oben. Hmm. Wir könnten ja kurz in den Ort zum Wasser holen und einkaufen. Doch auch danach druckst das Wetter 'rum. Dichte Bewölkung - wobei es nicht nach Regen aussieht, der französische Wetterbericht meldet Regen ab frühem Nachmittag.
Also gut : Franz und ich gehen zur "A Tout Coeur", Andi und Sonia nicht weit von uns entfernt in die "Trous Secs". Los - und heute keine Zeit verlieren. Vor der letzten SL ist klar: das Wetter wird noch halten und wir wählen die sehr schöne Ausstiegsvariante "Passion d'amour".
Oben angekommen, Seile aufgeworfen, das Zeug sortiert - und es beginnt ganz leicht zu tröpfeln. Wir warten auf Andi und Sonia - und gerade als es stärker anfangen will zu regnen, erreichen beide die Hochfläche. Punktlandung!
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Samstag, 29. Mai
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Unser letzter Klettertag. Morgens wurden wir wieder einmal von Heidi geweckt. Ein kurzer Blick nach draußen zeigte: die nächtlichen Regenwolken hatten sich vollständig aufgelöst. Sonia und ich gehen zur "Dalle Grise" im gleichnamigen Sektor - keine Fotos's. Andi und Franz wollten es heute noch einmal wissen: mit der Route Fete de Nerfs warteten zehn Seillängen in senkrechtem Gemäuer und Schwierigkeiten bis 8+ auf sie...
Als wir am Nachmittag zum Zuschauen kommen, starren wir auf ein glatte, lotrechte Mauer. Wir suchen eine Weile, bis wir Andi und Franz in der 7ten SL ausmachten.
Einige Bildserien bis zum Ausstieg:
Nach dem Klettern fahren wir los, so war der Plan. Aber die Rechnung hatten wir ohne Sonia gemacht, sie wollte einfach nochmal klettern. Also noch einmal zum Abgrund, 60m hinunter und wieder hinauf.
Und jetzt ist wirklich Ende. Nach dem Klettern fahren wir ein letztes Mal nach La Palud zum Wasserholen, ...
... und dann beginnt bei bestem Wetter eine lange Heimfahrt ins regenverhangene Peißenberg. Mit Schneefall fast bis ins Tal, ein Aufwachen ohne Heidi und Arbeit statt Reggae.
Grüße,