2013 bis 2019: Klettern vor der eigenen Haustür
Der Peißenberger Alpinklettergarten

In einem abgelegenen Winkel der heimischen Ammergauer Berge liegt der Peißenberger Alpinklettergarten. Geneigte Wandkletterei und infolge der tausende Jahre einwirkenden Kraft des Wassers zu richtigen Henkelparaden aufgepimpt...
Nach ersten Felskontakten sollten Andi und Michaela, beide Kursteilnehmer, eine alpine Route in Wechselführung gehen. Ich würde - als "Orientierungshilfe" sozusagen - in der gleichen Route eine erste Seilschaft führen.
Moderate Schwierigkeiten, 4, 5, und vielleicht auch 6 wären angesagt, gut gesichert und vor allem: kletterfreundlicher, fester Fels.
Etliche benachbarte Routen, Mehrseillängenklettern sollte zumindest dabei sein, "alpine Umgebung" wäre ein Wunsch und keine sooo lange Anfahrt vielleicht auch noch. Wenn es ein solches Gebiet nicht gibt: man könnte sowas ja auch einrichten. Freilich müßte man ein geeignetes Gelände erstmal finden...


Irgendwie schmeckte das Hüttenbier heute besonders fein :-))
Taugt das was? Ist das lohnend, ist hier das, wonach ich lange gesucht habe?
Doch wieso lang sinnieren: schon am darauffolgenden Wochenende fuhren Manni, ich und zwei schwere Rucksäcke dorthin, um einzuchecken.Vom Stand weg führt ein System rauher Wasserrillen über einen Aufschwung, 5+, bei dem man ein, zwei Mal schon zupacken muß. Nach wenigen Metern stehe ich auf einem Absatz in der Wasserrille, Haken setzen.
Und ab sofort wird es nicht mehr schwerer als vierter Grad über rauhe Platten. Knappe 30 Meter, 4, Stelle 5+, bombenfester und unabschmierbarer Fels. Die nächste Seillänge wird mit 4- noch leichter, 20 Meter, Stand auf Absatz.

Vom 3ten Stand ginge es auch noch ein gutes Stück weiter. Doch bei genauem Hinsehen verriet der Fels hier seine ammergauer Herkunft, die für zweifelhafte Qualität bekannt ist.
Bis hierher und nicht weiter! Diese geflügelten Worte kamen heute und auch bei allen weiteren Routen zu ihrem Recht.
Anstatt verkrampft noch die eine oder andere wenig schöne oder sogar gefährliche Seillänge anzuhängen, machen wir Schluß, sobald die Felsqualität nachläßt oder gar ins Brüchige übergeht.Jede Tour braucht einen Namen und oftmals ist dieses Procedere mit einigem Gewürge verbunden. Heute war es einfach: genau so hatte ich mir die Wunschrouten vorgestellt und ganz offensichtlich war hier noch Platz für etliche Routen. "Auftakt nach Maß" traf die Zufriedenheit mit dem heutigen Tag auf den Punkt und war daher der perfekte Routenname.

Neben Manni kamen noch Tommy, Mike, Andrea, Kathi, Caro und Heike mit zum Einrichten. Derzeit existieren 18 Mehrseillängenrouten und insgesamt 58 Seillängen bei Schwierigkeiten von 3 bis 8.
Darunter ist "fei schee :-)" mit 5 SL, 4+ die leichteste und "Das donnernde Finale" mit 4 SL, 8+ (7+/A0) die schwierigste Route im Gebiet.

Dabei darf man sich im Grund nicht zu sehr über die Nässe beklagen: auf weite Strecken ist der Fels durch die Wirkung des Wassers unabschmierbar rauh, mit Rillen, Henkeln und Grifformen unterschiedlichster Art. Nicht zu vergessen: "eigentlich" klettert man stets an ammergauer Bruchfels, doch der Abtrag durch Wasser scheint schneller zu erfolgen, als das brüchig werden durch Frostsprengung. Neben dauerhaft nassen, brüchigen Tabubereichen entstanden so ausgesprochen kletterfreundliche Felszonen, die wir jetzt frech in "Peißenberger Alpinklettergarten" umgetauft haben.

Wieso "Peißenberger Alpinklettergarten"?
Peißenberger... weil wir alle von hier kommen. Und weil wir gerade "unsere" Novizen nach der Halle mitnehmen möchten, um sie in einem ruhigen Gebiet an das Klettern in alpinem Ambiente heranzuführen. Das ist im Übrigen auch der Grund, wieso hier auf der Seite zwar die Touren beschrieben sind, aber nirgends steht, wo die Felsen genau liegen. Findige Zeitgenossen bringen es trotzdem in Erfahrung, wohin sie müssen - aber zumindest auf dem Silbertablett servieren wir das Gebiet nicht :-)...Alpin... zum einen natürlich, weil sich das Gebiet in alpinem Ambiente mit einer guten Stunde Zustieg befindet. Zum anderen aber auch, weil "Klettergarten" nicht mit "Bohrhakenrassel" zu übersetzen ist. Die nächste Sicherung kommt im Regelfall nicht nach zwei, drei Metern - es sind häufig eher vier oder fünf oder gelegentlich auch einmal mehr.
...Klettergarten... als fixe Sicherungspunkte wurden nur Bohrhaken verwendet (aufgrund des leichten Geländes sogar nur extra lange Haken). Es werden keine Klemmkeile benötigt, die aufgrund des kompakten Felses auch kaum anzubringen sind. Zusätzliche Sicherungspunkte wie Zacken- oder Sanduhrschlingen sind in der Regel bereits angebracht: eben typische "Klettergartenabsicherung".


Für den Autofocus so mancher DigiCam die ultimative Herausforderung. Das gilt im Übrigen auch für das Auge des Vorsteigers bei der Suche nach dem nächsten Haken...

Felsen, Schwierigkeitsgrade, Haken, Seillängen, natürlich sind das alles wichtige Begriffe, wenn über ein Klettergebiet gesprochen wird. Aber es gibt noch weitere Stichwörter, die auch hierher gehören: Blumenvielfalt, Ruhe, Gamsherden, Hüttenbier:
Wir starten von einer Hütte in einem sehr wasserreichen Gebiet. Auf ein kurzes Waldstück folgen abwechslungsreiche Blumenwiesen, Bäche, ja und ein steiniger, zugegebenermaßen etwas lästiger Aufstieg zu einem Sattel (50 min ab Hütte).
Jenseits hinunter und nach weiteren 20 min steht man vor besagter langgestreckten Wand. Man quert eine Karwiese, die 2013 bis etwa halb unter die Wand ging. In der Zwischenzeit hat sich die Vegetation bis fast an den Wandfuß ausgebreitet.
So, alpine Idylle, Blumenwiesen hin und Seillängen her: jetzt ist ausgeschnattert - wir wünschen euch viel Spaß im Peißenberger Alpinklettergarten...
Grüße, Hans